In Baden-Württemberg prägen Streuobstwiesen seit dem 15. Und 16. Jahrhundert die Landschaft. Die Streuobstwiese, regional auch Obstwiese, Obstgarten, Bitz, Bangert, Bongert oder Bungert (Baumgarten) genannt, ist eine traditionelle Form des Obstbaus.
Auf Streuobstwiesen stehen verstreute (daher der Name) hochstämmige Obstbäume (d.h. die Krone dieser Bäume beginnt erst auf einer Höhe von circa 180 Zentimetern) meist unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Der moderne, intensive Obstanbau ist dagegen von niederstämmigen Obstsorten in Monokultur geprägt (Obstplantagen). Ein weiteres Merkmal von Streuobstwiesen ist der Verzicht auf chemisch-synthetischen Pestizide.
Die Anfänge liegen im Altertum und Mittelalter
Großfrüchtige Rosengewächse wie zum Beispiel die Schlehe wurden bereits vor der Steinzeit genutzt und die Verbreitungsgebiete lagen in der Nähe von menschlichen Siedlungen. Vor allem die Römer brachten die nicht heimischen Apfelbäume, Birnbäume, Zwetschgen, Süßkirschen, Walnuss und Esskastanien nach Mitteuropa mit.
Mit voranschreitender Züchtung konnten auch ertragsschwache und flachgründige Böden der Hänge bewirtschaftet werden. Auf dieser Weise wurde auch die Grünlandwirtschaft durch Bodenfestlegung nachhaltig durchführbar. Durch die staatliche Förderung im 17. Und 18. Jahrhundert wurde der Obstbau außerhalb der Gärten und Dörfer erweitert und kann als die eigentliche Entstehungszeit des Streuobstanbaus betrachtet werden. Mit Ausbau des Straßennetze entstanden auch Alleen zwischen den Siedlungen um die Transportwege zu nutzen. Die Streuobstwiesen umgaben und verbanden die Dörfer und Städte und waren für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbar. Ihren Höhepunkt hatte die Streuobstkultur in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, zu einer Zeit, als schon die Obstplantagenwirtschaft begonnen hatte. Durch fortschreitende wissenschaftliche Entwicklung entstanden bis zum 20. Jahrhundert über 6.000 Obstsorten, darunter mindestens 2.700 Apfel-, 800 Birnen-, 400 Süßkirschensorten und 400 Pflaumenartige, die den Obstanbau selbst in Höhenlagen der Mittelgebirge ermöglichten. Spezielle Sorten für die Nutzung als Tafelobst, Saft, Most und Brand bis hin zum Backobst wurden regional verfeinert.
Alte Obstsorten
Auf Streuobstwiesen gibt es eine riesige Sortenvielfalt. Die Verbreitung der einzelnen Sorten ist zum Teil Region spezifisch oder sogar auf wenige Dörfer beschränkt. Je nach Region haben sich ganz unterschiedliche Obstsorten im Laufe der Jahre bewährt. Auf Obstplantagen werden dagegen immer dieselben Sorten gepflanzt, die auf weitgehend identische Elternsorten zurückgehen. Die typischen alten Obstsorten der Streuobstwiese, die sich über Jahrhunderte ortsspezifische entwickelt haben, stellen ein großes genetisches Potential dar. Im Gegensatz zu „Supermarkt-Sorten“ werden Streuobstsorten besser von Apfelallergikern vertragen, da diese einen bis zu vierfachen Gehalt an Polyphenolen aufweisen. Untersuchungen haben ergeben, dass Polyphenole für die Verträglichkeit von Äpfeln eine Schlüsselrolle spielen. Sie sind in allen Obst- und Gemüse-Sorten enthalten und sollen zudem eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben. Einigen dieser Stoffe sollen zum Beispiel das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. In Baden-Württemberg gibt es über 1.000 Streuobstsorten. Somit steht der Südwesten beim Streuobstanbau also ganz vorne. Beispiele sind die Champagner Bratbirne von den Fildern bei Stuttgart, die Apfelsorten Gewürzluike aus Nordwürttemberg und Jakob Fischer aus Rottum im Landkreis Biberach sowie die Süßkirschsorte Dolleseppler aus dem Ortenaukreis.
Rückgang im 20. Jahrhundert
In den 1920er Jahren begann in Europa die Trendwende zur Obstplantage und das unüberschaubare Sortiment an Kernobst auf nur wenige Sorten beschränkt werden. Ein weiterer Grund für den Rückgang von Streuobstwiesen war, dass sich die Bestände vorwiegend im Siedlungsbereich befanden und den neuen Wohn- und Gewerbegebieten im Weg waren. Dasselbe galt für den Straßenbau, im Rahmen der Verkehrssicherheit wurden etliche Obstbäume entfernt.
Nach der Roten Liste der Biotoptypen Baden-Württembergs mit naturschutzfachlicher Beurteilung sind die Streuobstwiesen in den letzten Jahren stark zurückgegangen und als gefährdet eingestuft.
Hat die Streuobstwiese eine Zukunft?
Ob die Zukunft für die Streuobstwiesen rosig sein wird, hängt maßgeblich davon ab, ob genügend Menschen bereit sind, ihre Zeit und Energie in die Pflege zu investieren. Ohne regelmäßige Pflege werden Streuobstwiesen bald zu Wald, die Bäume vergreisen ohne jährlichen Schnitt und die typischen Arten der halboffenen Standorte verschwinden. Die Aufgabe der Bewirtschaftung aber auch eine Intensivierung der Nutzung des Grünlands im Unterwuchs der Streuobstbäume, zum Beispiel durch starke Düngung oder häufige Mahd, sorgen für einen Rückgang der Artenvielfalt.
Quellen:
de.wikipedia.org/wiki/Streuobstwiese
www.bund-sh.de/streuobstwiesen/definition-einer-streuobstwiese
www.bund-bawue.de/themen/natur-landwirtschaft/streuobstland-baden-wuerttemberg/streuobst-in-baden-wuerttemberg
www.bund-bawue.de/themen/natur-landwirtschaft/streuobstland-baden-wuerttemberg/alte-obstsorten
www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/streuobst/streuobstwissen/streuobstbau.html
www.lbv.de/naturschutz/lebensraeume-schuetzen/streuobstwiesen
www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/streuobst
de.wikipedia.org/wiki/Dolleseppler
utopia.de/ratgeber/polyphenole-wirkung-und-in-welchen-lebensmitteln-sie-stecken
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