Die Raunächte nehmen heute wie damals eine bedeutende Stellung im Jahreskreis ein. Viele Traditionen werden immer noch gelebt oder werden mit modernen Interpretinnen vermischt. Heute sind sie – dank Seminaren, Veranstaltungen und Kursen – vielleicht sogar moderner oder mehr verbreitet als noch vor 100, 200 oder 500 Jahren.
Aber ehe wir mit den Fakten zu diesen Bräuchen starten, holen wir uns eine heiße Tasse Glühpunsch mit leckeren Gewürzen und zünden unser Räucherstövchen an. Vielleicht mit dem Duft des Weihrauchs oder mit Fichtenharz, Rosen und Tannennadeln.
Es heißt die Zeit zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige werden als Raunächte, auch Rauhnächte, Glöckelnächte, Innernächte oder Unternächte genannt, bezeichnet. 12 Nächte, die für je einen der zwölf Monate im Jahr stehen und uns einladen zurückzublicken. Aber auch einen Blick auf das, was noch kommen mag zu werfen.
Ursprung
Die Geschichte der Raunächte ist vielschichtig und reicht tief in unsere Geschichte zurück. Einiges deutet auf die germanischen Winter- und Lichtfeste und anderes hat keltische oder slawische Einflüsse. Gemeinsam haben alle Ursprünge, dass man glaubte, in dieser Zeit sind die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt und die Grenzen zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt besonders dünn sind. Die Verstorbenen, Ahnen und Naturgeister können deshalb umherwandern und die Lebenden beeinflussen – positiv wie negativ.
Kalendarisch hat der Brauch vermutlich seinen Ursprung in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr. Ein Jahr aus zwölf Mondmonaten umfasst nur 354 Tage. Damit fehlen im Vergleich zum Sonnenjahr mit 365 Tagen elf Tage bzw. zwölf Nächte. Diese Tage werden als tote Tage, außerhalb der Zeit, bezeichnet.
Die Herkunft des Wortes Rauhnacht ist nicht eindeutig geklärt. Manche glauben, es kommt von Rauh (wild) oder von Rauch / Räuchern. Traditionell beräucherte man seine Ställe und Wohnräume mit Weihrauch. Diese Interpretation ist ebenfalls recht alt, schon Johannes Boemus (1520) und Sebastian Franck (1534) berichten über das Beräuchern: „Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache / für alle teüfel gespenst vnd zauberey.
Andere führen es auf das mittelhochdeutsche Wort rûch zurück, das so viel bedeutet wie haarig / pelzig und sich auf die pelzigen Gestalten bezieht, die in dieser Zeit ihr Unwesen treiben sollen. Wir kennen heute das Wort Rauware oder Rauchware in der Kürschnerei für Pelzwaren.
Heute können wir uns kaum noch vorstellen, wie die Tage und Nächte für die Menschen waren, bevor es elektrisches Licht und Zentralheizung gab. Die Dunkelheit wurde deutlich gravierender erlebt, da auch die Umgebung nicht beleuchtet war. Die Winternächte waren also vor allem kalt, dunkel und still. Hier in Hohenlohe – wo ich wohne – pflegten die Bewohner im Winter den Brauch des sogenannten „Vorsitzens“. Mütter und Kinder besuchten sich am Abend und in der warmen Stube trank man Most und reichte dazu Gsälzbrot, Äpfel und Nüsse. Dabei wurden Geschichten erzählt, Schwarzer Peter oder Mühle gespielt oder gesungen. Natürlich wurde auch gestrickt, Körbe geflochten, gewebt, gesponnen oder anderen Arbeiten erledigt. Die geselligen Abende waren ebenso betriebsam wie kurzweilig.
Zwischen den Jahren
Erst 1691 legte Papst Innozenz XII. den Anfang des neuen Jahres auf den 1. Januar bzw. den letzten Tag des Jahres auf den 31. Dezember, an dem in der katholischen Kirche der Todes- und Gedenktag von Papst Silvester I. ist. Davor gab es Zeiten wo das Jahr bereits Weihnachten begonnen hat oder erst am 6. Januar. Heute meint man mit der Redewendung in der Regel zwischen Weihnachten und Silvester / Neujahr. Ursprünglich war aber der Zeitraum zwischen dem Ende des alten Jahres (24. Dezember) und dem Beginn des neuen Jahres 6. Januar) gemeint und entsprach den zwölf heiligen Nächten oder Zwölfnächten.
Frühe Rituale und erstaunliche Bräuche
Mit der Annahme, dass an diesen Tagen die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind und das Tor zur Unterwelt weit offensteht, sind einige Regeln und Bräuche entstanden. So mussten Frauen und Kinder abends zuhause bleiben, es durfte keine Wäsche aufgehängt werden oder Unordnung im Haus herrschen. Man glaubte, die Geister fühlten sich im Chaos besonders wohl und würden sich bei ihrer wilden Jagd in der aufgehängten Wäsche verfangen und bleiben. Karten spielen und pfeifen am Morgen war ebenfalls verboten, da es Unglück im nächsten Jahr bringen soll. Gleiches gilt für Haare und Nägel während der Rauhnächte schneiden, hiermit machte man sich anfällig gegen Kopfschmerzen und Gicht. Ein weiteres Ritual ist, seine Schulden zu begleichen. Wer sich etwas geliehen hat, sollte es vor den Raunächten zurückgeben. Aber auch Kerzen bei Dunkelheit aufstellen, ist ein Brauch um böse Geister zu vertreiben. Das erinnert ein bisschen an unsere Weihnachtsbeleuchtung.
Es gibt in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Skandinavien und anderen Teilen Europas noch viele unterschiedliche Traditionen. Einige haben sich aus lokalen und historischen Kontexten entwickelt, einige kamen neu hinzu oder haben sich verändert und manche gibt es nicht mehr.
Folgende Rituale und Bräuche sind noch heute gängiger Bestandteil der Raunächte:
Die dreizehn Wünsche
Am Anfang der Raunächte werden dreizehn Wünsche auf Zettel geschrieben und gefaltet. Ab der Nacht zum 25. Dezember wird jeden Tag immer ein Zettel in einer Feuerschale verbrannt. Um diese Wünsche sollen sich die guten Geister um die Erfüllung kümmern. Den letzten Wunsch, der am Ende übrigbleibt, muss von einem selbst erfüllt werden.
Vergangenes loslassen
Ähnlich wie bei den dreizehn Wünschen, wird eine Sorge oder ein Hindernis aus dem aktuellen Jahr auf einen Zettel geschrieben und am letzten Tag des Jahres mit einer Räuchermischung verbrannt. Durch das Verbrennen verschwinden zwar nicht die Sorgen aber durch die physische Reinigung und spirituelle Klärung soll man besser mit ihnen umgehen können.
Räucherungen und Reinigung
In einigen Überlieferungen leiten sich die Raunächte vom Räuchern ab. Ob in allen 12 Nächten oder nur in einzelnen Nächten, hängt von der regionalen Tradition ab und kann sehr unterschiedlich sein. Beim Räuchern werden Kräuter, Harze und Holzer verbrannt, um das Zuhause und die Ställe von negativen Lasten zu befreien bzw. zu reinigen und böse Geister fernzuhalten. So sollen neue positive Energien entstehen. Sehr beliebt ist Weihrauch oder Salbei. Beides steht für – sich Gutes tun, genießen und die eigenen Gefühle wahrnehmen.
Orakel und Zukunftsdeutung
Wer hat noch nicht zu Silvester Blei gegossen oder ein Horoskop gelesen? Besonders in der Zeit wo man glaubte, dass in dieser Zeit die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt und die Grenze zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt besonders dünn ist, kann man seine Zukunft auf besondere Weise deuten. Deshalb sind bis heute Orakel und Wahrsagerei in den Raunächten populär. Ob in der Traumdeutung, denn jede Nacht steht für einen Monat des nächsten Jahres oder um das Wetter zu bestimmen. Das Wetter an den jeweiligen Tagen gibt Aufschluss darüber wie das Wetter in dem jeweiligen Monat des Folgejahres wird. Der erste Tag steht für Januar, der zweite für Februar und so weiter.
Perchtenlauf
Im Alpenraum immer noch verbreitet, lässt sich dieser Brauch auf vorchristliche Rituale zurückführen. Wie bereits geschrieben, ist das Tor zur Welt der Toten weit offen und Geister und Dämonen haben die Möglichkeit, auf unserer Erde zu weilen und uns Menschen zu schaden. Deshalb erscheint Frau Percht – in manchen Überlieferungen auch Frau Holle – um Fleiß und Ordnung zu belohnen und Ungehorsam und Unordnung zu bestrafen. Aber auch die Namensähnlichkeit mit Knecht Ruprecht lässt eine Verbindung zwischen den Figuren annehmen. Dafür spricht auch ihr belohnendes bzw. bestrafendes Verhalten sowie dass beide bevorzugt in den Wintermonaten auftreten. Auf den modernen Perchtenläufen versammeln sich Menschen mit gruseligen Masken und Pelzumhängen und vertreiben mit Kuhglocken, Glockenspielen, Trommeln die Geister. Bekommt man als Zuschauer von den Schlenzern einen leichten Schlag mit der Rute, soll das Glück, Fruchtbarkeit und Gesundheit bringen.
Silvester
Der letzte Tag des Jahres ist der Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I und geht auf das Jahr 1582 zurück. Damals verlegte die Gregorianische Kalenderreform den letzten Tag des Jahres vom 24. Dezember auf den 31. Dezember, den Todestag von Silvester I. († 31. Dezember 335). Der Liturgische Kalender führt den Tag seit 813 auch als dessen Namenstag. Ein Jahresendfest wurde bereits vor Christi Geburt gefeiert und die Feuerfeste am Jahreswechsel gehen auf die Germanen zurück. Aus dem Perchtenlauf mit lauten Glockenspielen oder Trommeln hat sich vermutlich das heutige Silvesterfeuerwerk entwickelt. Auch hier soll das laute Knallen um Mitternacht die bösen Geister vom neuen Jahr fernhalten.
Wie kann man die Raunächte für sich nutzen?
Auch wenn man kein spiritueller Mensch ist, weder räuchern möchte noch orakeln, lassen sich diese Tage nutzen. Traditionell geht es in den Raunächten darum, zu Ruhe zu kommen, einen Blick nach innen zu werfen und sich bewusst Zeit für sich zu nehmen. Die Natur macht es uns vor: Die Blätter fallen ab, die Stauden ziehen sich in die Erde zurück und einige Tiere sind im Winterschlaf. Das schönste Ritual in den Raunächten ist für mich, sich bewusst Zeit für sich zu nehmen, das alte Jahr zu reflektieren und sich zu überlegen, was man sich im neuen Jahr wünscht. Vielleicht bei einem Spaziergang oder gemütlich mit einer heißen Tasse Tee oder Glühpunsch bei einem guten Buch.
Hast du ein besonderes Rauhnächte Ritual?
Ich wünsche dir eine wunderschöne, magische Rauhnacht-Zeit!
Quellen
www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/12/wikinger-sorgten-sich-um-ihre-zaehne-medizin-gesundheit
Rauhnächte: Rituale und Bedeutung für 12 ganz besondere Nächte | kraut&rüben (krautundrueben.de)
Die Rauhnächte: Rituale & Bedeutung der 12 magischen Nächte (bodynova.de)
Rauhnächte ab 21.12.: 5 Rituale, mit denen du deine Wünsche für 2024 manifestierst | BRIGITTE.de
Magische Rauhnächte – vom Räuchern und anderen Ritualen - Kulturleben - Blog | Tirol in Österreich
Bräuche der Rauhnächte - quarks.de
Die Rauhnächte sind da: Was Sie jetzt tun und lassen sollten | agrarheute.com
Darum räuchern wir in den Raunächten – Servus
Buch Hohenlohica Obscura, Spuk, Aberglaube und Magie an Kocher, Jagst und Tauber, ISBN 9783839225363
Zeitschrift Natur Apotheke 1/2024 Seite 76 bis 81
Zwischen den Jahren – Wikipedia
Raunacht – Wikipedia
Perchta – Wikipedia
Silvester – Wikipedia
Fotos: Waldenburg und Freilandmuseum Wackershofen in Hohenlohe
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