Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) zählt zur Familie der Kardengewächse und gehört, anders als etwa die Mariendistel, nicht zu den Disteln, auch wenn volkstümliche Namen wie Kardendistel oder ihr stacheliges, distelartiges Aussehen dies nahelegen.
Interessant ist auch die Namensgebung: Entlehnt von „carduus“ für Distel verweist die „Karde“ zudem auf eine frühere Nutzung der stacheligen Pflanze. Im Mittelalter kämmte man mit der Weber Karde (Dipsacus sativus) Rohwolle aus, um sie im Anschluss besser verarbeiten zu können („Kardieren“: das alte Wort „karden“ stand für „kämmen“). Der lateinische Name hat einen Bezug zu den Blättern, die am Stängel trichterförmig zusammengewachsen sind und in denen sich Regenwasser sammelt. „Dipsacus“ kommt vom griechischen „dipsa“ für Durst – nicht verwunderlich, denn Tiere nutzen die Pflanze gern als Trinkstelle. Dem darin gesammelten Wasser schrieb man zudem wundersame Kräfte auf die Schönheit zu, daher auch die Bezeichnung „Venusbad“. [1]
Vorkommen
Die Wilde Karde stammt aus dem Mittelmeerraum und ist in Deutschland als Archäophyt [2] zu betrachten. Sie wächst ziemlich häufig an Wegen, Dämmen, Ufern und auf Ödland. [3]
Vegetative Merkmale
Der Wuchs der Wilden Karde ist aufrecht und krautig. Die Staude ist zweijährig und wird zwischen 150 und 200 Zentimeter hoch. Im ersten Jahr bildet sich die Rosette mit großen Blättern aus. Das Laub ist zweigeteilt und setzt sich aus schmal lanzettlichen Stängelblättern und breit lanzettlichen Grundblättern, die zu der Rosette angeordnet sind, zusammen. Im zweiten Jahr wachsen mehrere hohe Stängel, die mit Stacheln versehen sind. Die Stängelblätter wachsen paarweise und sind am Rand eingekerbt. Die Stacheln schützen die Wilde Karde in der Natur vor Fressfeinden wie zum Beispiel Schnecken. [4]
Generative Merkmale
Die blauvioletten Blüten von Dipsacus fullonum sitzen endständig an langen Stielen. Die Blütenköpfe sind zapfen- bis kolbenförmig und bestehen aus winzigen Einzelblüten, die sich – eine botanische Besonderheit – ringförmig von der Mitte in beide Richtungen hin öffnen. Sie sind von markanten und stacheligen, bogig aufgerichteten Hüllblättern umgeben. Die Blütezeit dauert je nach Witterung von Juni/Juli bis August. [5]
Bestäubung
Aufgrund der unzähligen röhrig verwachsenen Einzelblüten ist der Nektar nur für Hummeln mit langem Rüssel und für Schmetterlinge erreichbar. Von September bis Oktober reifen die Früchte – kleine Nüsse – heran. Die Heilpflanze ist ein typischer Tierstreuer: Bleiben vorbei streifende Tiere an den stacheligen Pflanzenteilen, v.a. den Fruchtständen, hängen, werden die Nüsse von den elastischen Spreublättern und durch den Rückschlag der ganzen Pflanze mehrere Meter weit wegkatapultiert. [6]
Einige morphologisch ähnliche Arten
Die Wilde Karde kann mit der Weber Karde (Dipsacus sativus) verwechselt werden. Diese hat aber starre und zurückgekrümmte Tragblätter. [7]
Lebensraum für Tiere
Die Fruchtstände der Karde-Arten sind aus ökologischen Gesichtspunkten wertvoll, denn sie stellen für Distelfinken, Dompfaffe und andere ein beliebtes Futter für den Winter dar. Aber auch Insekten wie Hummeln oder Schmetterlinge lieben die Karde. [8]
Verwendung
Die Blätter (April bis Juni) von den Stacheln befreit eignen sich als Gemüse, der Blütenboden kann von Juni bis September, ähnlich wie Artischocken, roh als Beigabe zu Salaten gegessen werden. [9]
Heilpflanze
Die Karde enthält Bitter- und Gerbstoffe, das Glykosid Scabiosid, Inulin, Kalisalze, Saponine und Tannin. [10] Als Heilpflanze findet Dipsacus fullonum schon seit ewigen Zeiten volksheilkundliche Anwendung. Hier wird ihre Wurzel in Form von Tee oder Tinkturen zur Hautpflege, bei Magen-Darm-Beschwerden und zur unterstützenden Behandlung der von Zecken übertragenen Krankheit Borreliose eingesetzt. An wissenschaftlichen Belegen hierfür wird noch geforscht. So konnte in präklinischen Studien gezeigt werden, dass Kardenextrakt das Wachstum von Borrelien-Kulturen hemmen konnte. Wirksamkeitsbelege aus klinischen Studien gibt es allerdings hierzu nicht. [11]
In der Volksmedizin wird die Wilde Karde äußerlich bei kleineren Wunden, Hautschrunden und kleinen Einrissen in Haut und Schleimhäuten, Gerstenkörner, Fisteln, Hautflechten und Warzen; auch zur Einreibung bei Rheuma, verwendet. [12]
Mythologie, Kunst und Geschichte
Im Altertum glaubte man, dass Disteln oder distelähnliche Gewächse wie die Karde gegen böse Geister schützen und Verwünschungen entkräfteten. Weil die Pflanze, wenn sie einmal geschnitten war, nicht zu verdorren schien, galt sie als Symbol des langen währenden Lebens und der Zähigkeit.
Ganz allgemein, vor allem aber im christlichen Zusammenhang, setzte sich die Vorstellung der Distel als Symbol irdischer Mühsal nach der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies durch. In der Genesis (1. Mose/Genesis 3,18) wird berichtet, dass Gott sich nach dem Sündenfall mit großer Strenge an Adam wendet und ihm kundtut, dass er fortan nur unter Mühen seine Nahrung beschaffen wird, aus dem Ackerboden nur Dornen und Disteln wachsen werden, er gezwungen sein wird, Gräser des Feldes zu essen, und alles , was er wolle, nur im Schweiße seines Angesichts zu erreichen sei. [13]
Die Distel ist aber auch ein Bild für verwildernde Landschaften (Jesaja 7,18-25). Im Neuen Testament kann sie als Gegenbild für einen „fruchtbaren“ Glauben stehen (Matthäus 7,16, Lukas 6,44) [14]
Blumensprache
Die faulen Blumen von Robert Bridges (1844-1930) [15]
Und wo kein Mensch je säte,
Hab ich mir Disteln angebaut.
Die wuchernden Reseden,
Den starren Wermut und das Jakobskraut.
Um Kletten rankt sich hier der Natterkopf
Und stachelreiche Karden überragen
Die Dolden, gelb und weiß.
Wer sonst wollt so ein Sträußchen tragen!
Verwendung im Garten
Die Wilde Karde ist sehr konkurrenzstark und setzt sich selbst in großflächigen Staudenpflanzungen durch. In gemischten Blumenbeeten und Rabatten sorgt die hochgewachsene Pflanze für Struktur. Als heimische Wildstaude fügt sie sich gerade im Bauerngarten oder im Naturgarten sehr harmonisch in das große Ganze ein und verströmt natürlichen Charme. In größeren Gärten oder Wildstaudenpflanzungen erzielt man schöne Ergebnisse, wenn man die Pflanze „einfach machen“ lässt: Durch Verwilderung taucht sie immer wieder an neuen Stellen auf. Aufgrund ihrer Standortansprüche fühlt sich Dipsacus fullonum auch im Wassergarten sehr wohl und schmückt den Rand von Gartenteichen oder Bachläufen. In der Floristik schätzt man die Wilde Karde als aparte Trockenblume. [16]
Fazit
Die Wilde Karde ist eine Heilpflanze, die in weiten Teilen Europas, Asiens und in Nordafrika ihre Heimat hat. Die Wurzel der Karde wird seit über zwei Jahrtausenden zur Herstellung von Heilmitteln verwendet. Bio-Gärtner und Naturfreunde pflanzen Dipsacus fullonum ganz bewusst, um die Insekten in ihrem Garten zu unterstützen.
Quellen:
[1] www.pascoe.de/service/newsletter-naturmedizin/detail/wilde-karde-ist-die-pflanze-tatsaechlich-eine-distel
[2] Als Archäophyten bezeichnet man Pflanzenarten, die vor 1492, als Christoph Kolumbus Amerika erreichte, aber noch in im weiteren Sinne historischer Zeit, durch direkten oder indirekten menschlichen Einfluss in ein neues Gebiet eingeführt wurden und sich dort selbständig ohne fremde Hilfe fortgepflanzt (etabliert) haben. Im Gegensatz dazu bezeichnet man Pflanzen, die nach 1492 eingeführt wurden, als Neophyten. Archäophyten gelten zwar nicht als einheimisch (indigen), werden aber insbesondere im Naturschutz im Gegensatz zu Neophyten als heimisch betrachtet. Quelle: de.wikipedia.org / wiki / Archäophyt
[3] de.wikipedia.org/wiki/Wilde_Karde und
Was blüht denn da? Kosmos Naturführer, von M. und R. Spohn, 59. Auflage, 2015, ISBN 978-3-440-13965-3
[4] www.mein-schoener-garten.de/pflanzen/karde/wilde-karde und
utopia.de/ratgeber/wilde-karde-so-kannst-du-die-staude-anbauen-und-nutzen
[5] www.mein-schoener-garten.de/pflanzen/karde/wilde-karde
[6] www.apotheken.de/alternativmedizin/heilpflanzen/8327-wilde-karde
[7] Was blüht denn da? Kosmos Naturführer, von M. und R. Spohn, 59. Auflage, 2015, ISBN 978-3-440-13965-3
[8] www.pascoe.de/service/newsletter-naturmedizin/detail/wilde-karde-ist-die-pflanze-tatsaechlich-eine-distel
[9] www.arche-erlangen.de/d7/Wildkraeuter
[10] Die wilde Karde - Wild und frei
[11] www.pascoe.de/service/newsletter-naturmedizin/detail/wilde-karde-ist-die-pflanze-tatsaechlich-eine-distel
[12] www.apotheken.de/alternativmedizin/heilpflanzen/8327-wilde-karde
[13] Bildlexikon der Kunst, Band 7, die Natur und ihre Symbole, 2005, ISBN 3-936324-03-4
[14] www.die-bibel.de/lightbox/basisbibel/sachwort/sachwort/anzeigen/details/distel
[15] Die Sprache der Wildblumen von Sheila Pickles, Ars Edition 1997, Seite 76, ISBN 3-7607-1199-5
[16] www.mein-schoener-garten.de/pflanzen/karde/wilde-karde
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